Die Kreisgruppe Illertissen im Rückblick
Die Geschichte der BJV-Kreisgruppe Neu-Ulm ist auch zum Teil die Geschichte der ehemaligen BJV-Kreisgruppe Illertissen bis zur Fusion im Jahre 1972.
Das mit dem Erlass des Reichsjagdgesetzes geschaffene Amt des Kreisjägermeis-ters begleitete im Landkreis Illertissen der Apotheker Erwin Beyerle aus Babenhausen von 1935 bis Kriegsende. Beyerle starb 1947. Den Nachlass des Am-tes, jagdliches Lehr- und Anschauungsmaterial, verwaltete der Polizeibeamte Karl Scheffer, der von 1940 bis zu seinem Wegzug 1948 in Babenhausen Dienst tat. Franz Kneer aus Obenhausen, der als junger Mann im Revier der Graf Moy’schen Forstverwaltung tätig war, holte den Nachlass mit dem Pferdefuhrwerk ab, wo er im Schloss Obenhausen eine neue Bleibe fand.
Als um das Jahr 1948 die Aussicht bestand, die Jagdhoheit von der Besatzungs-macht zurück zu erhalten, organisierten sich die Jäger des Landkreises Illertissen wieder neu. Ihr Vorsitzender wurde Wilhelm Graf von Moy, Obenhausen. Er begleitete dieses Amt bis zum Jahr 1952 und wurde vom Altenstadter Fabrikanten Erich Winkle beerbt, der den Vorsitz bis 1956 inne hatte. Sein Nachfolger wurde Baron Dieter von Malsen-Ponickau, Osterberg. Er gilt als der „geistige Vater“ des im Jahr 1964 gegründeten Bläsercorps der Kreisgruppe Illertissen. Bei der Trophäenschau am 15.02.1964 in der Brauereigaststätte Deil in Osterberg sagte der Baron wörtlich: „Es wäre schön, wenn sich junge Jäger für das Jagdhornblasen interessieren würden“. Daraufhin kristallisierte sich spontan um den Kellmünzer Eduard Klement („Edi“), den man als die Seele des Bläsercorps bezeichnen kann, die Urzelle des Corps. Josef Bodenmüller, Osterberg, wurde zum Lehrmeister und musikalischer Leiter bestellt. Der Baron beschaffte die Hörner. Die Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Aktivitäten des Corps hat Eduard Klement akribisch in einer Chronik auf aufgezeichnet, die er bis 18.12.1999, kurz vor seinem Tod am 16.04.2000, geführt hat. Die Chronik wird seither von Birgit Gutheber, Obenhausen fortgeführt.
1967 wählte die Mitgliederversammlung der BJV-Kreisgruppe eine neue Vorstand-schaft. Baron von Malsen, der nicht mehr kandidierte und es meisterhaft verstand Feste zu arrangieren und zu feiern, wollte, dass die Übergabe bzw. Übernahme der „Amtsgeschäfte“ in würdiger Weise vollzogen wird. Er lud die neue Vorstandschaft
- den 1. Vorsitzenden OReg. Landwirtschaftsrat Otto Sandler, Babenhausen
- seinen Stellvertreter, den Malermeister Erich Kelber, der aus Thüringen in der DDR in die BRD „übergewechselt“ ist und sich in Vöhringen eine neue Existenz aufgebaut hat,
- den Schatzmeister Hermann Wiest, Altenstadt, Mitinhaber der Vereinigte Ziegel-werke Altenstadt-Bellenberg und
- den Schriftführer und Verwaltungsbeamten Berthold Heinlein, Vöhringen
in sein Schloss in Osterberg. Dort wanderten sie mit dem Schlossherrn und seiner Mutter, der Baronin Ehrengard von Malsen-Ponickau, die Erich Kelber galant am Arme führte, durch mehrere Salons, wo in jedem Raum eine kleine kulinarische Überraschung geboten war. Zum Schluss landeten die illustre Gesellschaft in der Küche. Mit Fassbier und deftigen bayerischen Schmankerln ließ man die Zeremonie feuchtfröhlich ausklingen.
Im Vereinsregister des Amtsgerichts Illertissen ist unter Nr. 66 am 04.11.1967 fol-gender Eintrag erfolgt: „Kreisgruppe Illertissen im Landesjagdverband Bayern e. V. mit Satzung, 1. Vorsitzender Otto Sandler, 2. Vorsitzender Erich Kelber“. Später wur-de Richard Rank als 2. Vorsitzender eingetragen. Nach der Gebietsreform löste sich der Verein auf, siehe Fusion der Kreisgruppen Illertissen und Neu-Ulm. Als letzte Handlung vor der Auflösung des Vereins erging eine Resolution an den Bauträger der Autobahn A7, die damals in der Planung war, mit der eindringlichen Forderung, diesen neuen Verkehrsweg mit Wildschutzzäunen zu sichern. Die Löschung des Eintrags im Registergericht erfolgte am 18.04.1973. Damit endete offiziell die Existenz des Vereins.
Eine maßgebende Persönlichkeit in der Jägerschaft und bei der unteren Jagdbehörde des ehemaligen Landkreises Illertissen war der Leiter des Forstamts Illertissen, Dr. Raimund Rüger.
Als Forstmeister wurde ihm 1936 die Leitung dieses Amtes übertragen. 1939 – 1945 leistete er Wehrdienst und kam erst 1949 als Spätheimkehrer aus sowjetischer Ge-fangenschaft wieder in seinen Heimatort Illertissen, wo er 1950 erneut zum Forst-amtsvorsteher bestellt wurde. Seit diesem Jahr bis zu seinem Tod 1971 oblag ihm auch das Amt des Kreisjagdberaters.
Dr. Rüger – Forstmeister, Oberforstmeister und Oberregierungsforstrat waren die Titel seiner beruflichen Laufbahn – war ein hochangesehener Forst- und Waidmann alter Schule mit ungeteilter Liebe zu Wald und Wild. Waidgerechtigkeit, Hege, die Bewahrung unseres heimischen Wildes als Kulturgut und Schöpfungserbe waren die Grundlage seines Handelns. Er hielt seine schützende Hand über unser Rehwild. Was würde er gesagt haben, zu den heutigen Vegetationsgutachten mit der Empfehlung „Abschuss erhöhen“. Wie schier unmöglich es war die Genehmigung zu erhalten, ein paar Stücke mehr zu schießen, weiß Oberförster a. D. Anton Richter zu berichten. Als er 1964 die Leitung der Fürst Fugger’schen Forstverwaltung in Babenhausen übernahm und den überhöhten Rehwildbestand auf ein tragbares Maß reduzieren wollte, biss er bei Dr. Rüger auf Granit. Der Augsburger Fabrikant, der in den sechziger Jahren das Revier Osterberg gepachtet hat, wollte den überhöhten Rehwildbestand des Reviers drastisch senken, was zu einer hellen Aufregung in den Amtsstuben des Landratsamtes und den Pächtern der benachbarten Reviere führte. Auf Veranlassung von Dr. Rüger musste der zu hohe Rehwildbestand nachgewiesen werden. Jäger der Kreisgruppe besetzen daraufhin im Frühjahr alle Hochsitze und Kanzeln des Reviers und zählten die gesichteten Rehe. Das Zählergebnis war so überwältigend, dass selbst Dr. Rüger nicht umhin konnte, einer Abschusserhöhung zuzustimmen. Vertreter und Nachfolger von Dr. Rüger im Amt des Kreisjagdberaters war Forstamtsrat Michael Fuchs, Illereichen. Danach wurde Forstdirektor Helmut Boesenecker, der 1964, nach seiner Pensionierung von Dr. Rüger Forstamtsberater in Illertissen wurde, zum Kreisjagdberater bestellt.
Eine herausragende Stellung in der Jägerschaft der BJV-Kreisgruppe Illertissen nahm der geschäftsführende Mitinhaber der Vereinigten Ziegelwerke Altenstadt-Bellenberg, Eugen Wiest, ein.
Mit seinen Firmenteilhabern hat er sich durch Pachtung der Reviere Untereichen, Herrenstetten, Bergenstetten, Jedesheim und Illertissen ein kleines Jagdimperium geschaffen, das vom Berufsjäger Anton Bail, Herrenstetten, betreut wurde. Die herbstlichen Treibjagden in der Feldflur und den Illerauen waren immer ein besonderes Erlebnis. „Ein Schütze, ein Treiber“, mit diesen Worten schickte er die Jagdteilnehmer los auf den Rundgang zu den Kesseltreiben. Nach jedem Treiben führte er genau Buch über die Zahl der abgegebenen Schüsse und die Strecke. Leider zerfiel diese Hegeeinheit anfangs der siebziger Jahre wieder in ihre Einzelteile. Die Reviere haben seither durch Siedlungsbauten, neue Verkehrswege, Kiesabbau und die Freizeitaktivitäten der Menschen viel Wild-Substanz verloren.
Eine feste Größe in der BJV-Kreisgruppe Illertissen verkörperten Forst- und Waid-männer der Fürst Fugger’schen Forstverwaltung Babenhausen unter ihrem Leiter Oberförster Anton Richter, der dieses Amt 1964 von Oberförster Otto Birnbickl über-nommen und bis zur Pensionierung 1990 begleitet hat. Die fürstlichen Grünröcke hatten rund 6.800 ha jagdbare Fläche zu betreuen. Bei ihnen waren Wald und Wild in guten Händen. Als besonderes Original galt der Förster Oskar Prestele, der im Forsthaus „Tannengehau“ wohnte, dort auch eine kleine Landwirtschaft betrieb und von dem manche Anekdote überliefert ist.
Toni Richter, dessen Passion als Rüdemann dem deutschen Wachtelhunden gewidmet war, hat seine Erlebnisse und Erfahrungen in den Broschüren „Die Jagd und ihre Höhepunkte“ und „Erinnerungen eines alten Grünrocks“ zu Papier gebracht. Eine empfehlenswerte Lektüre für jeden Jagdinteressierten.
Der Bauingenieur Kurt Motz, der auf der Grundlage des vom Oberrother Maurermeister und jagdlichen Urgestein Michael Hertel 1958 übernommenen Baugeschäftes ein mustergültiges mittelständisches Bauunternehmen in Illertissen aufgebaut hat, ist auch als Jäger und Mäzen für Wild und Jagd vorbildlich tätig geworden. Mit der Pachtung des Reviers Oberroth und zwei benachbarter Reviere schuf er sich ein kleines jagdliches „Eldorado“, das seine Krönung mit dem Bau eines Jägerhofs am Waldsaum des westlichen Günztalrandes fand. Anstelle des aufgelassenen Ostermann-Bauernhofes entstand dort ein bauliches Schmuckstück, das sich harmonisch in die Landschaft einfügt. Der Jägerhof hatte seine Blütezeit in den Jahren nach seiner Fertigstellung 1961. Vom angestellten Berufsjäger und seiner Ehefrau bestens bewirtschaftet war das Haus ein beliebter Anziehungspunkt für Jäger, Jagdgäste und Geschäftsfreunde des Unternehmers. Es wurde manches Fest gefeiert, manches Fass aufgemacht. Man genoss die großzügige Gastfreundschaft des Unternehmers. Kurt Motz fungierte während der Malsen-Ära auch als 2. Vorsitzender der Kreisgruppe und war als Hegeringleiter aktiv.
Bei einem Jagdpächter seiner Prägung, der nicht darauf angewiesen ist, mit dem Jagdertrag auf seine Kosten zu kommen, haben Wild und Jagd eine Zukunft.
Am 1. Juni geht der Bock auf
Traditionell am 1. Juni, dem damaligen Beginn der Bockjagd, trafen sich Jagdpächter und ihre Mitjäger der im Raum Matzenhofen gelegenen Reviere nach dem Frühansitz in der Wallfahrtsgaststätte zum Vesper, Frühschoppen und kameradschaftlichen Beisammensein. Neben dem Gerstensaft labte man sich am guten Käse der „Fanny“ und später an den Spezial-Brathähnchen des „Pius“. Das Treffen zog sich nicht selten bis zum Abendansitz hin, den man dann zugunsten eines Dämmerschoppens ausfallen ließ, der dann zum Nachttrunk wurde.
Vom vorgenannten Michael Hertel sind folgende Erlebnisse überliefert:
Schuß in den Misthaufen
Michael Hertel saß hinter einem Misthaufen im Feld nahe dem Waldrand, der die Reviergrenze bildete, auf einen bestätigten Rehbock an. Dies blieb vom Jagdnachbar jedoch nicht unbemerkt, der wohl den Bock vor dem Auswechseln abpassen wollte. Der Jagdnachbar schoss kurzerhand vor dem Hertel Michl in den Misthaufen, so dass diesem der Mist ins Gesicht spritzte, worauf der Michl voller Zorn den mitgebrachten Vorrat an Patronen in den Wald feuerte. Erst im Schutze völliger Dunkelheit verlies er seinen Ansitz um sich auf den Weg nach Hause zu machen.
Gegönnter Sechserbock
Der Hertel Michl hatte einen engagierten Mitjäger, der als Junggeselle eifrig viele Arbeiten erledigte. Zum Lohn erhielt er vom Michl die Erlaubnis einen guten Sechserbock erlegen zu dürfen. Michl zeigte ihm die Leiter und die Stelle wo der Bock bevorzugt austritt. Der Mitjäger erlegte den Bock beim ersten Ansitz und die Freude war groß. Erst viel später stellte sich heraus, dass ihm der Michl eine Leiter des Nachbarreviers zugewiesen hatte.
Baujagd
Als bei einer Baujagd der eingeschliefte Hund nach anfänglichem Laut verstummte und sich längere Zeit nichts mehr rührte, verlor der Hertel Michl die Geduld und schliefte selbst ein. Als von ihm nur noch die Fußsohlen in der Röhre zu sehen waren, fragten die besorgten Mitjäger, was er denn vorhätte. Er antwortete lediglich, dass sie ihm noch den Namen auf die Sohlen schreiben sollen, das man später einmal wisse, um wen es sich handelt, falls er gefunden würde.