Ab 31.10.2024 gelten die neuen Regeln
Jetzt ist es amtlich: Am heutigen Mittwoch, 30.10.2024, wurde das „Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Was kommt da auf uns zu?
Das sind die Neuerungen in der Waffenrechtsnovelle
In dieser Übersicht informieren wir Sie über die jüngsten Änderungen im Waffenrecht und deren Auswirkungen. Am 30.10.2024 wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt demzufolge am 31.10.2024 in Kraft.
Anordnung des persönlichen Erscheinens und Recherche der Waffenbehörde
Die Waffenbehörde kann das persönliche Erscheinen weiterhin nur „in begründeten Einzelfällen“ vorschreiben. Dies bedeutet, dass die Behörde die Anordnung entsprechend begründen muss, was mit Aufwand verbunden ist.
Anhaltspunkte können sich bereits aus Schriftverkehr, Telefonaten oder aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben. Die Behörden sind nun ebenfalls befugt, zur Erforschung des Sachverhalts in öffentlich zugänglichen Quellen zu recherchieren. Diese Informationen sollen in die Prüfung auf Zuverlässigkeit und Persönliche Eignung einfließen. Als „aus allgemein zugänglichen Quellen“ werden in der Gesetzesbegründung insbesondere das Internet, aber auch Printveröffentlichungen genannt. Diese Regelung wurde als Reaktion auf den Amoklauf in Hamburg eingeführt.
Kritisch sehen wir, dass die Behörden oft keine fundierte Ermittlungsausbildung haben, was zu subjektiven Interpretationen und Fehlbeurteilungen führen kann. Zudem besteht die Gefahr, dass Fake-Profile als Grundlage genommen werden. Es bleibt abzuwarten, wie diese Regelung in der Praxis ausgelegt und angewendet wird.
Erweiterung der Zuverlässigkeitsprüfung
Als generell unzuverlässig gilt nun, wer wegen einer staatsgefährdenden oder extremistischen Straftat, wie etwa der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, zu Freiheits- oder Geldstrafen von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Dazu wurde eine ganze Liste an zu berücksichtigenden Straftaten ergänzt.
Bereits jetzt ist eine Regelunzuverlässigkeit bei einer Verurteilung von mindestens 60 Tagessätzen anzunehmen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Änderungen in der Praxis wirken. Die Änderungen schaffen jedoch Unsicherheiten, da unklar bleibt, welche Verurteilungen künftig zur Entziehung einer waffenrechtlichen Erlaubnis führen könnten.
Erweiterung der Abfragen und Nachberichtspflicht
Künftig werden auch die Bundespolizeibehörde, das Zollkriminalamt und die Polizeidienststellen der letzten zehn Jahre in die Abfragen einbezogen. Für die Abfrage beim Zollkriminalamt wurde zudem das Steuergeheimnis aufgehoben, was wir sehr kritisch sehen. Gleichzeitig werden mehr Behörden nachberichtspflichtig, müssen also beim Vorliegen von Erkenntnissen umgehend die Waffenbehörden informieren.
Diese Abfragen müssen dringend digitalisiert werden, um alle beteiligten Behörden zu entlasten und keine Verzögerungen bei der Antragstellung einer waffenrechtlichen Erlaubnis hervorzurufen, wie es bei Einführung der Verfassungsschutzabfrage im Jahr 2020 der Fall war. Hier bleibt abzuwarten, ob dies erfolgt und wie sich die neuen Abfragen auf die Antragsdauer auswirken wird. Die Informationen müssen zudem so aufbereitet sein, dass die Waffenbehörde konkrete und verwertbare Erkenntnisse erhält. Dennoch wird diese Regelung zu einer weiteren Belastung der Waffenbehörden führen.
Dass hier eine Vereinfachung der Strukturen möglich gewesen wäre, um bürokratische Hürden und unnötige Mehrarbeit abzubauen, war spätestens nach der Anhörung im Innenausschuss bekannt. Derzeit gibt es durch die Kombination aus regelmäßigen Zuverlässigkeitsprüfungen und der Nachberichtspflicht beständig doppelte Abfragen – in Millionenhöhe pro Jahr –, die die Prozesse verlangsamen. Anstatt einer Entlastung stellt diese Ausweitung eine weitere bürokratische Belastung dar, ohne dass konkrete Sicherheitsgewinne garantiert werden.
Waffenbesitzverbot für erlaubnisfreie Waffen
Wann ein Verbot zum Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, ausgesprochen werden soll, wurde durch Beispiele präzisiert. Dies ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Ob dies effektiv ist, bleibt abzuwarten. Die Neuerung bleibt in unseren Augen jedoch hinter den Möglichkeiten zurück. Zum einen, weil hier nur der Erwerb und Besitz von Waffen im Sinne des Waffengesetzes und nicht beispielsweise auch das Führen von Messern untersagt werden kann (siehe Dortmunder Modell), sondern auch, weil ein solches Waffenbesitzverbot im Handel nicht kontrolliert werden kann. Wir fordern seit Langem eine Abfragemöglichkeit über das NWR, um Waffenbesitzverbote effektiv umzusetzen.
Springmesser
Springmesser werden – mit Ausnahmen – grundsätzlich verboten, also auch solche mit einer Klingenlänge unter 8,5 cm, die seitlich herausspringen. Diese Ausnahmen bestehen, „soweit ein berechtigtes Interesse besteht, das eine einhändige Nutzung erforderlich macht, oder der Umgang im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt“. Sie bergen jedoch eine erhebliche Unsicherheit. Wir haben beim BMI bereits um Klarstellung gebeten, wie und gegenüber wem dies nachzuweisen ist. Ebenso gilt es, Fragen zur Aufbewahrung zu klären.
Für die Abgabe ist eine einjährige Amnestieregelung vorgesehen, die Straffreiheit bei Übergabe an einen Berechtigten, die zuständige Behörde oder Polizeidienststelle gewährt. Eine Entschädigung, wie vom VDB gefordert, wurde nicht eingeführt und die reine Enteignung über die vage Möglichkeit des Verkaufs umgangen.
Verbot des Führens von Waffen und Messern bei öffentlichen Veranstaltungen und Kontrollmöglichkeiten
Neben dem Führen von Waffen im Sinne des Waffengesetzes ist nun auch das Führen von Messern generell, also unabhängig jeder Klingenlänge, auf öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen verboten.
Für dieses Messerverbot, sowie für Messerverbotszonen, die die Landesregierungen erlassen können, wurde ein einheitlicher Ausnahmekatalog geschaffen. Dies sorgt für gleiche Maßstäbe, doch bleiben zahlreiche Fragen zum genauen Anwendungsbereich und der Definition bestimmter Ausnahmetatbestände offen. Ausnahmen für das Führen von Messern bestehen aktuell für:
1. Anlieferverkehr,
2. Gewerbetreibende und ihre Beschäftigten und von den Gewerbetreibenden Beauftragte, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung führen,
3. Personen, die ein Messer nicht zugriffsbereit von einem Ort zum anderen befördern,
4. Personen, die ein Messer in oder auf bestimmten Gebäuden oder Flächen mit öffentlichem Verkehr sowie in Verkehrsmitteln und Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs, in oder auf denen Menschenansammlungen auftreten können und die einem Hausrecht unterliegen mit Zustimmung des Hausrechtsbereichsinhabers führen, wenn das Führen dem Zweck des Aufenthaltes in dem Hausrechtsbereich dient oder im Zusammenhang damit steht,
5. das gewerbliche Ausstellen von Messern auf Messen, Märkten und Ausstellungen,
6. Rettungskräfte und Einsatzkräfte im Zivil- und Katastrophenschutz im Zusammenhang mit der Tätigkeit,
7. Mitwirkende an Foto-, Film- oder Fernsehaufnahmen, Theateraufführungen oder historischen Darstellungen, wenn zu diesem Zweck Messer geführt werden,
8. Personen, die Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege, der Jagd oder der Ausübung des Sports führen,
9. Inhaber gastronomischer Betriebe, ihre Beschäftigten und Beauftragten sowie deren Kundinnen und Kunden,
10. Personen, die Messer im Zusammenhang mit einem allgemein anerkannten Zweck führen.
Unklar ist hier beispielsweise, wie eng die Formulierung „im Zusammenhang mit“ in der Praxis umgesetzt werden wird. Es wird jedoch deutlich, dass weder Waffenbesitzkarteninhaber noch Inhaber eines Kleinen Waffenscheins generell aufgenommen wurden, obwohl diese behördlich überprüft sind.
Wir möchten an dieser Stelle erneut betonten, dass die Maßnahmen keinen signifikanten Beitrag zur Terrorismusabwehr leisten, sondern die legale Nutzung unverhältnismäßig einschränken.
Die Regelungen für Waffenverbotszonen, die die Länder erlassen können, wurden ebenfalls neu formuliert, indem die ehemaligen Absätze 5 und 6 des § 42 WaffG zusammengefasst wurden.
Hier wird nun unterschieden zwischen Ausnahmen für das Führen von Waffen sowie Ausnahmen für das Führen von Messern.
In der Rechtsverordnung zur Waffen- und Messerverbotszone sind Ausnahmen vom Verbot oder von der Beschränkung für Fälle vorzusehen, in denen für das Führen der Waffe oder des Messers ein berechtigtes Interesse vorliegt. Dies liegt insbesondere vor für das Führen von Waffen bei Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse. Aber Achtung, der Kleine Waffenschein nach § 10 Absatz 4 Satz 4 WaffG wird nun explizit ausgenommen, d.h. also, dass Schreckschusswaffen nicht mehr innerhalb von Waffenverbotszonen geführt werden dürfen. Ausgenommen sind ebenso Personen, die eine Waffe nicht zugriffsbereit von einem Ort zum anderen befördern, bei Zustimmung des Hausrechtsinhabers oder für Rettungskräfte und Einsatzkräfte im Zivil- und Katastrophenschutz im Zusammenhang mit der Tätigkeit.
Für das Führen von Messern gilt der Ausnahmekatalog analog zu den Veranstaltungen (siehe oben).
Die gleichen Ausnahmen werden auch für das Verbot im Personenfernverkehr verwendet.
Zur Durchsetzung der Waffen- und Messerverbotszonen sind künftig in deren räumlichem Geltungsbereich anlasslose Personenkontrollen möglich, d.h. dass innerhalb dieser Zonen jeder kurzzeitig anhalten, befragt, durchsucht sowie mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden dürfen. Auch wenn die Auswahl der kontrollierten Personen nicht ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund anhand eines Merkmals im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes erfolgen darf, besteht dennoch die Gefahr, dass bestimmte Personengruppen (darunter auch Anwohner in diesen Zonen) unverhältnismäßig häufig kontrolliert werden. Darüber hinaus stellt eine solche Durchsuchung immer einen Grundrechtseingriff dar.
Waffenrechtliche Erlaubnisinhaber sollten sich fortan also gut überlegen, ob sie ein Messer mitführen, und wenn, dann sollte es „nicht zugriffsbereit”, also nur mit mehr als drei Handgriffen zu erreichen mitgeführt werden.
Sicherstellung
Die Vorschriften zur Sicherstellung wurden verschärft und von „Soll“- in „Muss“-Regelungen umgewandelt. Dazu wurde explizit ergänzt, dass eine Sicherstellung auch schon während der Prüfung von Rücknahme oder Widerruf für einen Zeitraum von sechs Monaten vorläufig erfolgen kann in Fällen, wo Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass Personen, denen eine Erlaubnis erteilt worden ist, nicht die erforderliche Zuverlässigkeit oder Eignung besitzen und tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch den weiteren Umgang mit Waffen oder Munition eine Gefährdung bedeutender Rechtsgüter droht. Zum Zweck der sofortigen Sicherstellung ist die zuständige Waffenbehörde berechtigt, Wohnungen zu betreten und diese nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen. Die Durchsuchungen dürfen nur durch einen Richter, bei Gefahr im Verzug aber auch durch die zuständige Behörde direkt angeordnet werden.
Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird hier eingeschränkt und gleichzeitig die grundlegende rechtsstaatliche Regel aufgehoben, dass derartige nur bei konkretem Verdacht auf eine Straftat oder im Fall einer unmittelbar drohenden Gefahr zulässig sind.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die hier gemachten Neuerungen in Kombination umgesetzt werden und wie intensiv von diesen Maßnahmen Gebrauch gemacht wird. Wir sehen diesen Eingriff jedoch sehr kritisch und im Falle von gewerblichen Erlaubnisinhabern sogar als existenzbedrohend an.
Wir prüfen derzeit eine mögliche Verfassungsklage. Zudem werden wir weiterhin auf eine Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz pochen und fordern eine vollständige Neufassung des Waffenrechts. Gemäß dem Slogan: „Lobbyarbeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, bleiben wir im politischen Dialog und halten an unseren Forderungen fest. Denn nach der Novelle ist bekanntlich vor der Novelle.